Der Stadtteilbeirat Einfeld hatte im Oktober letzten Jahres die Benennung einer Straße in Neumünster nach der NS-Widerstandskämpferin Anni Wadle beschlossen, die ihr ganzes Leben als Kommunistin für Frieden und Abrüstung wirkte. Jetzt stellt sich heraus: Leider ist dieser Beschluss formal nicht richtig zustande gekommen, so dass noch einmal zu beschließen wäre. Man hatte die Straßenbenennung unter dem TOP „Mitteilungen“ aufgerufen. Die CDU Neumünster war bisher ablehnend gegenüber der Straßenbenennung. Allein das Wort „Kommunistin“ hat bei ihr undifferenzierte Reaktionen ausgelöst und einen objektiven Blick versperrt. Der formale Fehler kommt ihr in ihrer Ablehnung nun wohl entgegen. Eine Anfrage zeigt, dass sich die CDU überhaupt nicht richtig mit dem Thema auseinandersetzte. Es hat sich auch offenkundig niemand der Mühe unterzogen, sich z.B. durch das Lesen ihrer Erinnerungen der Person Anni Wadle zu nähern. [Buch: „Mama warum weinst Du nie“- Erinnerungen an Zeiten der Verfolgung und des Krieges. Huba Produktion 1988. ISBN 97833924459000]
Wir dokumentieren hier einen Leserbrief unseres Pressesprechers Jonny Griese vom 22.02.2024 im Holsteinischen Courier:
In Neumünster ticken die Uhren anders
2017 versuchte DIE LINKE NMS, die nach Agnes Miegel benannte Straße in Anni Wadle Weg umbenennen zu lassen, und scheiterte an dem „Nein“ durch die CDU-Fraktion.
2015 schlug der Ortsbeirat Kiel-Gaarden eine Straßenbenennung nach der Widerstandskämpferin Anni Wadle vor und setzte sich mit 10 zu 2 Stimmen durch, sodass ein Anni-Wadle-Weg an der Kieler Hörn entstehen konnte. In Kiel schätzte man bei der Entscheidungsfindung für den Anni-Wadle-Weg den widerständigen Mut von Frau Wadle höher ein als ihre politische Gesinnung.
In Neumünster ticken die Uhren anders. Anni Wadle wird zwar von der Stadt als eine Frau geehrt, die die Geschichte der Stadt geprägt hat, aber klar bekennen möchte man sich zu ihr nicht! Begründet wurde die Ablehnung nun im Stadtteilbeirat mit dem Hinweis, dass sie Mitglied der ab 1946 bis zu ihrem Verbot 1956 im demokratischen System der Bundesrepublik zugelassenen KPD angehörte. Damit war sie in guter Gesellschaft mit Herbert Wehner. Feinde der Demokratie waren beide nicht. Was man bei manchen Kommunistenfressern der CDU in den 50er/60er Jahren nicht behaupten kann.
Die CDU sollte sich mal mit Anni Wadles Biografie beschäftigen. Dass sie keine Staatsfeindin war, belegt im Übrigen auch eine Recherche von Herrn Dr. Rosenplänter, Leiter des städtischen Archivs in Kiel. Anni Wadle übte keine Parteifunktionen in der KPD aus. Deshalb ist die Begründung für die Ablehnung skandalös.
Wir dokumentieren dazu noch einen weiteren Artikel unseres Mitglieds Dr. Christof Ostheimer:
Keine Anni-Wadle-Straße – das falsche Signal!
Auf „Empfehlung der Stadt“ findet die Benennung einer Straße in Neumünster-Einfeld nach der antifaschistischen Widerstandskämpferin Anni Wadle nun doch nicht statt. Laut Holsteinischem Courier geschieht dies wegen eines „Formfehlers“ bei der Beschlussfassung der zuständigen kommunalen Gremien, der „von der CDU moniert“ wurde. Formfehler lassen sich normalerweise korrigieren, um den eigentlichen Zweck eines Beschlusses zu erreichen, hier die Benennung einer Straße nach einer Antifaschistin, die nach dem Krieg bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 in Einfeld gelebt hat.
Es sind wohl andere Gründe, die diese Ehrung verhindert haben. Das lassen die im HOC-Artikel zitierten Äußerungen aus CDU-Kreisen vermuten, die ihr mit der Falschbehauptung, Anni Wadle sei nach 1945 „Funktionärin der KPD“ gewesen, unterstellen, „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik gearbeitet“ zu haben. Die KPD, deren einfaches Mitglied sie auch nach der Niederschlagung des Faschismus geblieben war, wurde 1956 verboten.
Heute wissen wir, dass es die gleiche Juristengeneration in fast unveränderter Zusammensetzung gewesen ist, die sowohl im faschistischen Deutschen Reich, als auch in der freiheitlich-demokratischen Bundesrepublik „Recht gesprochen“ hat. Tatsächlich wurden einige Kommunisten in den 50er Jahren von den gleichen Staatsanwälten und Richtern ihrer bürgerlichen Ehrenrechte beraubt und zu Gefängnisstrafen verurteilt, von denen sie 20 Jahre zuvor ins Zuchthaus oder ins KZ geschickt worden waren. Häufig war sogar der konkrete Anlass für ihre Verfolgung der gleiche: Das aktive Eintreten gegen Krieg und die Rüstungswirtschaft.
Anni Wadle blieb ihren Idealen treu, und handelte getreu dem Schwur von Buchenwald: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“.
Die Losung der Antifaschisten war und ist: „Nie wieder Faschismus! – Nie wieder Krieg!“ Die Antifaschistin Anni Wadle in der aktuellen Situation des Jahres 2024 zu ehren, indem man eine Straße nach ihr benennt, wäre genau das richtige Signal im Sinne des „Nie wieder – ist jetzt!“ Vielleicht ist es dafür noch nicht zu spät, hier in Neumünster wie auch für Deutschland insgesamt, so meine Hoffnung.